Ja
Ja.
Heute erinnere ich genau, wann ich den ersten süchtigen Schluck zu mir nahm:
Ich war emotional total überfordert und stand vor der Entscheidung, mich zur Wehr zu setzen oder in ein Heim zu kommen. Eines dieser Heime, deren ehemalige Kinder heute nicht mal im zuständigen Ausschuss des Bundestages Gehör finden.
Ich habe mich also für die Flasche entschieden.
Wurde introvertiert, ging immer weit über meine Grenzen.
Da mein Vater selbst vor Jahren trocken geworden war reagierte meine Familie anders als in unserer Gesellschaft üblich:
Meine Mutter brachte mir bei, immer ehrlich zu sein zu mir.
Weiter lehrte sie mich, wie ich immer so an meinen Stoff komme, dass ich niemand etwas schuldig bleibe.
Darüber hinaus lehrte sie mich, trotzdem ein wenig auf meine Gesundheit zu achten.
Sie sorgte dafür, dass ich eine Lehre außer Haus begann.
Dann sorgte sie dafür, dass ich von der Familie und Verwandtschaft isoliert bin.
So hatte ich die Chance, nur mit mir konfrontiert zu sein und mich ehrlich zu erkennen.
Dazwischen bin ich meinem Hobby nachgegangen: Sozialpolitik. Es war so anstrengend, dass ich das heute kaum schaffen würde. Doch ich war erfolgreich. Wovon ich nichts habe, denn alle, welche von mir profitierten, wollen nicht dazu stehen. Dabei will ich keinen Dank, nur die Anerkennung, da sich dies auf mein Leben positiv auswirken würde.
In meiner Ausbildung zur Krankenschwester lernte ich bis 1978 alles, was es zum Thema bis heute wissenschaftlich fundiert zu wissen gibt.
In Baden-Württemberg habe ich bis heute sehr große Schwierigkeiten, als Alkoholikerin anerkannt zu werden von den Ärzten. Analyse hatte ich mehrere Jahre unter anderer Diagnose. Klinikaufenthalte wurden mir teilweise aufgezwungen wegen falscher Diagnosen.
Selbsthilfegruppen sind der Meinung, ein Alkoholiker hat immer bei irgend jemand etwas angestellt. Meine Verwandtschaft findet aber beim besten Willen nichts. Und sonst ist wohl auch niemand zu finden - außer jenen, bei denen ich mich entschuldigt habe und die niemand etwas angehen.
ich bin 24 Jahre trocken. Trotz all der Aufgaben, welche mir die sogenannte Fachwelt gestellt hat und stellt.
Heute wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, mich unter wahrnehmungsverändernde Drogen auf Rezept zu bringen.
ich bin sozialpolitisch gut. Bund, Land und Kommune profitieren seit 1978 sehr von mir. Ich bin weder machtgeil noch herrschsüchtig. Ich weigere mich schon immer, mich einer politischen Wahl zu stellen, da ich dies bei meiner lebenslangen chronischen Krankheit als unverantwortlich ansehe.
ich störe. Das ist gut so.
Ich kann weinen.
Ich kann nein sagen.
Ich kann meine Grenzen formulieren. Werden sie nicht akzeptiert, kann ich ruhig und gelassen damit umgehen. Und einen Weg suchen, trotzdem gut für mich zu sorgen, ohne andere unnötig zu schädigen.
DU
musst gut für DICH sorgen.
Geh zur Suchtberatung. Dort findest Du alle Informationen für Dich. Es gibt für DICH Selbsthilfegruppen. Vielleicht brauchst Du eine Therapie? Sie kann sehr hilfreich sein.
Je mehr Du Dich auf Deine Flasche, Deinen Angehörigen, konzentrierst, je mehr verhinderst Du einen Ausstieg.
Kein Mensch kann einen anderen tragen.
Kein Mensch ist für eine Krankheit verantwortlich.
Es ist keine Schande, krank zu sein.
Es ist eine Schande, nichts dagegen zu unternehmen.