Liebe opal
Jetzt möchte ich dir doch auch einmal schreiben.;-) ich bin zwar selbst am kämpfen und weiss nicht, ob ich dir wirklich helfen kann, aber ein versuch ist's wert dir mal von meinen bisherigen Erfahrungen zu erzählen, vielleicht kannst du dir da was rauspicken, das dir hilft.;)
Also erst mal das mit dem Arzt: mein früherer Hausarzt war genau so: er banalisierte die ganze MS Geschichte andauernd und als ich ihm einmal erzählte, was ich so esse (bei ca. 1h Sport pro Tag waren das damals so gegen 1000 kcal, was, wie wir alle wissen, definitiv zu wenig ist.) meinte er: "ach das ist ja viel mehr als ich dachte, ist ja gar nicht so schlimm." Baaam, ich war wohl sowas von verunsichert. Vorallem weil das in der Anfangsphase der MS war, noch keine Psychotherapie, keine Klinik nur dieser Arzt, der mir sowas sagte. Resultat: ich nahm danach so schnell ab wie nie zuvor. Also schickten mich meine Eltern zu einer ES-Spezialistin, die mir erstmal eine klare Ansage machte. Ich war jedenfalls seither nie mehr bei diesem Arzt, ausser bei Erkältungen oder sowas - würde ich dir auch empfehlen, ist der beste Weg diesen Versunsicherungen aus dem Wef zu gehen.
Noch besser aber, als diesen Aussagen auszuweichen, wäre natürlich darüber stehen zu können und zu sagen: "ich weiss, dass es nicht so ist." Jaaaa ich weiss, du denkst jetzt "die sollte doch wissen, wie schwer das ist". Ja ich weisses - aber glaub mir, auch wenns bei meinen post's nicht danach aussieht: mir ist genau das in letzter Zeit öfters gelungen. Aktuelles Beispiel: ich wollte schon immer mal Räuchertofu probieren. Aber irgendwie hab ich mich da nie ran getraut. Gestern hab ich mit einer Freundin gesprochen, die meinte "Ach, vielleicht solltest du es mit gesünderen Sachen versuchen, dann fällts dir vielleicht leichter." Eine Stimme in mir war froh über diesen Kommentar, natürlich die MS Stimme, denn jetzt hatte ich einen Grund, den Tofu nicht zu essen. Die andere Stimme hielt aber dagegen. Ich weiss ja eigentlich ganz genau, dass Tofu überhaupt nicht ungesund ist. Jeder normale Mensch isst Tofu. Also ging ich gleich heute Morgen los um Räuchertofu zu kaufen. Ich nahm den mit Mandel und Sesam-Kruste und machte mir daraus einen Leckeren Salat, mit noch etwas Frischkäse, tomaten und gurken. Dazu ein Senf-Honig Dressing und ein leckeres Nussbrötchen.
Was ich sagen will: eigentlich wissen wir ganz genau, was richtig ist. Aber irgendwie lassen wir uns immer wieder von aussen irritieren, und warum? Weil wir nicht genug selbstvertrauen haben um zu sagen "Nein, ich weisses besser. Es ist MEIN körper, und ich bin es mir Wert, darauf zu hören, was mir gut tut."
Ich habe das selber erst gerade verstanden. Ständig habe ich auf meine Familie gehört. Meine Eltern um Rat gefragt, getan was sie für richtig hielten. Und plötzlich durfte ich nicht mehr mit ihnen über meine Probleme sprechen, Anweisung der Therapeutin. Ich durfte nur noch mit ihr über meine Probleme sprechen, einmal die Woche. Und sonst war ich alleine damit, und plötzlich merkte ich, was von meinem Leben noch geblieben war, wenn das Thema ES mal wegfiel: nämlich nichts. Einfach ein schwarzes, tiefes Nichts, das mich erstmal in ziemlich miese Stimmung versetzte. Es brauchte mehrere Wochen und viiiiiiele Tränen, bis ich endlich realisierte: nur ICH habe es in der Hand. Kein anderer bestimmt über mein Leben, und wenn ich eben keinen Mut habe, um was aus meinem Leben zu machen - na, dann mach ich eben nichts draus. Aber als ich vor der Wahl stand, entweder ein Leben alleine, nur mit der ES 'an meiner Seite', jeden Tag derselbe Kampf, jeden Tag diese quälenden Gedanken - oder ein Leben zu leben, in dem ICH bestimme, in dem ich es mir Wert bin, etwas zu erleben, da löste sich bei mir plötzlich eine riesen Blockade.
Ich habe gar keine Lust mehr, nach Hause zu meinen Eltern zu gehen oder irgendwen um Rat zu fragen, ich habe MEIN LEBEN entdeckt, ich habe realisiert, dass ich leben darf und dass mir rein gar niemand irgend etwas vorschreiben kann! Ich kann tun und lassen was ich möchte, und ich habe auch die Verantwortung dafür. Und das fühlt sich sowas von toll an. Wofür Hungern? Für einen Skellet-Körper und eine gähnende Leere im Alltag? Nein.
Liebe Opal, ich bin sicher, auch du hast Träume. Dinge, von denen du denkst "ach wäre das toll - aber ich werde das eh nie erleben, denn ich bin irgendwie anders. Ich könnte es eh nicht geniessen, es wäre nur Stress, also lass ich es lieber ganz sein". Dann vergisst du diese schönen Gedanken wieder und bleibst in deiner eingelebten Sicherheit, die zwar total leer ist, aber bei der du vor falschen Entscheidungen bewahrt bleibst. Aber du bist nicht anders, du kannst deine Träume leben, niemand verbietet es dir! Aber du musst es dir gönnen! Warum sollten andere glücklich sein können und du nicht? Du bist mindestens genau so viel Wert wie jeder deiner Mitmenschen, also lebe deine Träume und vergiss dieses dooooofe Essen!
Jetzt werden vielleicht einige protestieren, von wegen ich schaffs ja selber nicht und all das. Ich weiss, dass ich selber kämpfe und nicht immer gewinne. Aber diese Gedanken helfen mir jeweils, wenn ich mal wieder dabei bin, ein Kampf zu verlieren...
Ich hoffe, du kannst damit auch etwas anfangen..:-) (und sorry für den endlos langen Text.. Wenn ich mal anfange, dann schreibts irgendwie einfach mit mir :P)
Ganz liebe Grüsse und alles Gute!
Angiott