Hallo ihr Lieben,
Semianea hat schon einen sehr rührenden und eindrucksvollen Beitrag über ihre Bulimiezeit geschrieben
ich werde euch jetzt auch erzählen wie mein Leidensweg anfing und wie ich es letztendlich geschafft habe die Bulimie zu besiegen.
Angefangen hat alles durch meine liebe verrückte Familie, bei der es nun ja, auch heute noch drunter und drüber geht.. Meine allein erziehende Mutter die aus Südamerika erst mit 40 Jahren nach Deutschland kam (mit 4 Kindern!), hatte ständig Angst wir Kinder würden irgendwann alle ausziehen und sie verlassen, was für uns Europäer zwar was ganz verständliches ist. Aber wenn man bedenkt, dass in anderen Ländern Oma und Opa und Tante und was weiß ich noch alles bis ins hohe Alter noch alle gemeinsam in einem großen Haus leben, ja dann würde man meine Mutter verstehen. Wie dann einer nach dem anderen auszog und nur noch ich die Jüngste zurückblieb, klammerte sie wirklich mit aller Macht an mir. Sie kontrollierte mich, verbot mir mich mit Freunden zu treffen, meldete mich von Volleyballverein ab, las meine Tagebücher, legte auf wenn Freunde anriefen für ein 16 jähriges Mädchen die Hölle wie ihr euch vorstellen könnt. Trost fand ich dann im Essen, und da ich ein perfektionistischer Mensch bin fand ich auch bald eine Lösung um ein Zunahme zu verhindern. Es fing natürlich langsam an, und wie jeder anderer dachte ich mir auch, ich würde die Kontrolle behalten. Es schien so einfach und genial zu sein wie dumm ich doch war Sobald meine Mama also nicht da war, wurde gegessen was das Zeug hielt, je mehr, fettiger und süßer desto besser, ich war froh nicht mehr unter Ihrer Kontrolle zu stehen was ich allerdings noch früh genug erfahren sollte, ist, dass mich seit dem Moment an nun die Bulimie kontrollierte und fest in ihrem Griff hatte. Was für ein Trugschluss.
Die Situation spitze sich dann zu, jeden Tag die Gedanken was ich essen sollte, ob die Möglichkeit bestand sich an diesen Tag noch irgendwann zu übergeben, wie ich an Geld für die Massen an Lebensmittel kommen könnte, jeden Tag habe ich mich gewogen und zu sehen wie das Gewicht weiter runter ging erfüllte mich mit Stolz, mein ganzes Leben war nur noch ein einziger ZWANG
Gleichzeitig sank meine Laune weiter, Freunde hatte ich kaum noch, meine beste Freundin suchte sich kurzerhand eine andere beste Freundin, weil sie, wie ich leider im Nachhinein feststellen musste, ein sehr oberflächlicher und egoistischer Mensch war, meine Geschwister waren alle weit weg, mit meiner Mutter sprach ich kaum noch (es endete eh immer im Streit), meine schulischen Leistungen wurden immer schlechter, dabei stand ich doch kurz vorm Abi
Und es wurde noch alles schlimmer, denn ich wurde immer schwächer, mir war oft schwarz vor Augen, ständig frierte ich, meine Haar fielen total aus, wenn ich mir einen Pferdeschwanz machte war das nur noch eine dünne Strähne die runterhing, ich hatte oft kleine rote Pünktchen um die Augen von der ganzen anstrengenden Kotzerei sind ja die ganzen Äderchen geplatzt, ich hatte oft das Gefühl nicht richtig atmen zu können, manchmal taten mir auch meine Ohren weh Den Nachmittagssport konnte ich in meiner Verfassung dann natürlich oft nicht machen und schwänzte ihn wofür ich einen satten Sechser im Zeugnis kassierte.
Dann fiel die Bombe als meine Mutter zufällig einen vollgek** Eimer in meinen Zimmer fand.. Oh ja da war die Hölle los.. sie schrie mich an, es dem Schulleiter und der ganzen Schule zu erzählen und mich in einer Irrenanstalt zu stecken ich dachte mir nur, am liebsten würde ich jetzt auf der Stelle sterben. Nie hatte ich solche Todessehnsucht gehabt. Im Nachhinein verurteile ich meine Mutter in keinster Weise, es war nun ihre Art, sie hatte es mit uns Kindern doch immer so gut gemeint, sie wollte uns vor falschen Einflüssen immer beschützen, sie dachte wir Kinder bräuchten nicht mehr als unsere Familie zu sehen dass ihre Tochter sich bewusst übergibt muss für sie das schlimmste und schmerzhafteste gewesen sein Aber es war notwendig, denn auch wenn eine Mutter so was nie gerne hören möchte, noch schmerzhafter wäre es für sie eines Tages zu erfahren eines ihrer Kinder war krank und sie hatte keine Ahnung davon
Natürlich erzählte es meine Mutter niemanden nur natürlich unserer Familie und langsam beruhigte sie sich.. sie besuchte dann auch einen Therapeuten wie ich später erfuhr.
Und ich? Mir dämmerte langsam, dass ich so nicht weiter machen konnte, psychisch und physisch nicht, ich kam mir vor wie ein Schatten meiner Selbst, war ich früher noch das fröhliche unbändige Kind, fühlte ich zu dem Zeitpunkt noch kaum etwas. Ich wollte was ändern aber wusste nicht wie, wann und überhaupt. Ich hatte auch niemanden an den ich mich wenden konnte. Einmal besuchte ich eine Therapie aber bloß weil mich meine Mutter hinschickte, und es war so ziemlich für die Katz leider.
Ich glaube meine Wendepunkt kam als ich mal wieder über die Kloschüssel hing und ja da passierte es, dass ich tatsächlich fast an meinen Erbrochenen durch eine falsche Unachtsamkeit erstickt wäre, was für eine panische Todesangst -unglaublich! Wie dieser Todeskampf vorbei war und ich hüstelnd neben dem Klo saß, fing ich Rotz und Tränen an zu heulen. Nie habe ich mich so einsam gefühlt. Sollte ich wirklich eines Tages so sterben..!? Ich war doch erst 18.. Die Tage danach habe ich viel überlegt Und jetzt sage ich euch warum ICH so NICHT mehr weiter machen wollte.
Ich wollte wieder Herr über mich und meinen Körper sein, ICH und nicht die Krankheit wollte wieder bestimmen wie viel ich essen darf.
Ich wollte nicht mehr die Kontrolle über mich verlieren, ich habe einmal diese Kontrolle gehabt und ich wollte sie um alles auf dieser Welt wieder zurück erlangen.
Ich wollte mich nicht mehr länger hassen für das was ich tat, ich wollte diesen ständigen inneren Kampf nicht mehr, den ich eh immer ständig verlor.
Ich wollte wieder an eine Zukunft glauben.
Ich wollte wieder fröhlich sein. Ich wollte wieder schön sein. Ich wollte wieder LEBEN.
So machte ich mir selber Mut und schrieb mir all das auf. Ich las es mehrmals am Tag immer wieder bis ich es verinnerlicht hatte.
Und wie erreiche ich das Ziel? War meine nächste Frage.
Mein Plan war simpel: Ich erlaubte es mir nur noch so und so oft in der Woche zu übergeben. Simpel und doch soo verdammt schwer. ABER ES GEHT!!!! Ich hatte mir meinen persönlichen Essensplan gemacht und versuchte dir mir die selbst vorgeschriebenen Mahlzeiten exakt einzuhalten (in den Plan war jetzt natürlich nicht einberechnet wann ich mich übergeben durfte, denn so was passiert ja spontan, abhängig von den Fressattacken und das wollte ich mir ja nun nicht vorschreiben lassen..). Jede Woche erneuerte ich ihn. Ich wusste die ersten Wochen durfte ich mich nur z.B. 2- oder 3-mal übergeben, die nächsten Wochen dann nur noch 1- bis 2-mal, und dann komplett gar nicht mehr. Und daran habe ich mich STRIKT gehalten! Ich wusste um die Häufigkeit des Erbrechen zu reduzieren, musste ich gleichzeitig meine Fressattacken reduzieren. Durch einige Tricks klappte es auch ganz gut, allein schon die regelmäßigen Mahlzeiten erleichterten es mir.
Manchmal allerdings erlang ich auch denen... aber hier kam es auf das DANACH an, sich nämlich nicht zu übergeben und ja das war ein schlimmer innerer Kampf. Ich war so verzweifelt und hab geheult und geheult und war mit meinen Nerven völlig am Ende, mir war dann natürlich auch richtig schlecht, mein Magen fühlte sich an wie ein riesiger Steinbrocken den ich nun in mir behalten musste.. aber ich wusste ich habe einen Plan und mit meine Ziel vor Augen habe mich NICHT übergeben. Und wisst ihr was? Diese schrecklichen Momente haben mir geholfen in Zukunft mich nicht mehr den Heißhungerattacken hinzugeben. Denn ich wollte NIE wieder dieses Gefühl erleben.
Was mir sonst half auf meinem Weg zur Besserung? Ich änderte vieles im Leben, zog in meine eigene Wohnung, erschaffte mir ein neues Umfeld, deswegen empfehle ich immer wenn ihr vorhabt aus der ES zu kommen auch euer äußeres Umfeld zu ändern, sei es eine Wand neu streichen, Möbel umzustellen, neue Pflanze zu kaufen usw. es wird euch das Gefühl vermitteln, ja ich fange ein neues Leben an.
Ich kümmerte mich mehr um mich, lernte mich selber lieben, machte das Beste aus mir. Pflegte meine Haare, kaufte mir Zusatzpräparate für Haare und Nägel, badete öfters ausgiebig, cremte meine Körper bewusster ein. Es schmerzte mich zu sehen, dass mein Körper nun zunahm, aber ich sagte mir selber, nein du liebst dich und deinen Körper so wie er ist, und du kannst verdammt stolz darauf sein, dass dieser Körper hier es geschafft hat diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Ich suchte mir neue Hobbys an wie Badminton, ich fing was mir schon immer großen Spaß gemacht hatte intensiv mit malen an, unternahm viel, ging viel raus, kümmerte mich mehr um meine Karriere, reiste viel, widmete mich wieder meiner Zukunft, schmiedete Pläne!
Ich fing mit Sport an und bin noch heute dankbar dafür, denn ein Leben ohne Sport könnte ich mir heute gar nicht mehr ausmalen. Nicht dass ich intensive Leistungssportlerin geworden wäre, nein, ich laufe mehrmals die Woche für 30 min, schwimme ab und zu und mach mein Volleyball, aber es tut mir VERDAMMT gut. Für mich unter anderem einer der besten Möglichkeiten Probleme zu verarbeiten. Davon abgesehen, dass ich meine Fitness gesteigert habe, und ganz nebenbei eine tolle Figur bekommen habe.
Dann schrieb ich natürlich viel. Auch während meiner Bulimiezeit schrieb ich in ein Tagebuch, aber auf meinen Weg daraus schrieb ich besonders viel, denn man macht sich automatisch mehr Gedanken. Um das warum und wieso und weshalb.
Aber auch mich überkamen Rückschläge.. mal schwere mal weniger schwere, und ja in solchen Momenten fühlte ich mich als hätte ich versagt. Aber man darf nicht liegen bleiben, ich wusste immer wenn ich jetzt aufgebe, habe ich tatsächlich versagt, Morgen ist ein neuer Tag und eine neue Möglichkeit mir zu zeigen, dass ich es besser kann. Mein Wille war stärker denn ich hatte immer noch mein ZIEL vor Augen, und mein Wunsch gesund zu werden war größer denn je, denn ich wusste ich bin auf den richtigen Weg.
Die Zeit verging und ich habe immer an mich geglaubt. Und heute? Nun ich bin seit Jahren schon gesund, verschwende keinen Gedanken mehr ans Essen, denn ich weiß ich ernähre mich gesund und ausgewogen. Ich bin schlank und strahle diese innere Zufriedenheit aus. Ich habe einen Freund der mich liebt. Ich habe einen Beruf. Ich verstehe mich mit meiner Mutter besser denn je.
Wenn ihr eine positive Einstellung habt, könnt ihr alles erreichen was ihr wollt.
Alles alles Gute :)
Eure Latinitasarita