Hallo zusammen,
auch wenn ihr noch nie etwas von mir gehört habt, verfolge ich die Diskussionen in diesem Forum schon jahrelang.
Ich würde sagen, dass ich seit 10 Jahren an einer ES leide, wobei sich gute Phasen mit schlechten Phasen abwechseln.
Angefangen hat es bei mit nicht ganz 13 Jahren, genauer gesagt kurz vor Weihnachten 1999, das weiß ich nicht genau. Ich stand damals auf der Waage, befand mein Gewicht für (das objektiv gesehen auch im Normalbereich lag) gut und beschloss fortan nicht mehr zuzunehmen. Daher begann ich weniger und weniger zu essen (allerding immer recht normale Nahrungsmittel. Abgesehen von Butter verbat ich mir in dem Sinne auch nichts. Mein Ziel war immer ca. 1000 kcal zu essen) , ekzessiv meine "Sportprogramme" durchzuziehen und selbst die Hausaufgaben im Stehen zu verrichten... irgendwann war ich bei 36kg angelangt und meine Mutter zwang mich dazu vor ihr auf die Waage zu steigen. Sie geriet zunächst zwar ziemlich außer sich, unternahm jedoch ebenso wie der Rest meiner Familie sowie meiner Bekannten nichts weiter... In der Schule wurde ich des Öfteren von Klassenkameraden auf mein Gewicht angesprochen. Als ich 15 war, sprach mich meine Sportlehrerin darauf an. Allerdings war sie - dank der Aussagen meiner Klassenkameraden, denen zufolge ich in der Pause immer schön etwas aß, der Ansicht, ich hätte Bulimie, was zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht der Fall war. Außerdem sprach sie ziemlich anklagend mit mir, sodass ich irgendetwas von Schilddrüsenüberfunktion erzählte. Bis ich 17 war, hatte ich wohl nie mehr als 40 kg (bei 1,60m). Meine Tage habe ich all die Jahre ebenso wenig bekommen, jedoch ansonsten keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen verspürt. Irgendwann mit 17 fühlte ich mich zunehmend unattraktiv und beschloss zuzunehmen. Das geschah zunächst recht langsam. Doch irgendwann begann ich damit täglich ein bis zwei Tafeln Schokolade zu essen und auch sonst alles in mich hineinzustopfen. Demzufolge nahm ich dann recht schnell zu, bekam meine Tage wieder, wurde darauf angesprochen, plötzlich recht gut auszusehen... Irgendwann hatte ich mich jedoch so an dieses Geesse gewöhnt, dass ich nicht mehr damit aufhören konnte, dementsprechend weiter zunahm (wobei ich sicher nie über unteres bis mittleres Normalgewicht hinausgeschossen bin) und mich zunehmend als zu dick betrachtete. Zu diesem Zeitpunkt wurde dann auch allmählich die Idee es mal mit dem Kotzen zu probieren bei mir präsent (ich denke, so mit 18). Am Anfang fiel mir das noch recht schwer, aber dann.... Seitdem habe ich immer wieder Phasen, in denen ich in etwa jeden Tag mit dem Kopf über der Kloschüssel hänge und solche, in denen dies nur einmal im Monat vorkommt, wobei diese vor allem in den Semesterferien, wenn ich an einem anderen Ort als zuhause bin, auftreten. In den schlechten Phasen beginne ich manchmal schon morgens Schokolade in mich hineinzustopfen, manchmal hungere ich auch den Tag über und stopfe mich abends voll. Je gestresster ich mich im Allgemeinen fühle, desto mehr esse und kotze ich, was wiederum zu mehr Stress führt, da ich unglaublich viel Zeit verschwende, usw. Die meiste Zeit hatte ich ein Gewicht von ca. 50-52kg, wobei ich 50 ok fand, mich bei 49 freute und bei 52 und mehr deprimiert war und insbesondere meine Beine als viel zu fett empfand.
Seit Oktober bin ich ununterbroche im Stress: zuerst konnte mein im Ausland lebender Freund entgegen unserer Erwartungen doch nicht nach Deutschland kommen, dann hatte meine Mutter vor meinen Augen einen Schlaganfall und dann war das Semester auch schon so weit fortgeschritten, dass der Lernstress begann. Dementsprechend machte sich die ES wieder besonders bemerkbar, wobei ich seit Jahren das erste Mal auch wieder damit begann tagelang kaum etwas zu essen und dabei keinen FA zu bekommen. Daher nahm ich auch etwas ab, bin bei ca. 47-48kg (objektiv leichtes Untergewicht), empfinde meinen Oberkörper als relativ knochig, die Beine noch immer als stämmig. Allerdings gibt es nach wie vor auch Tage, die fast nur aus Essen und Kotzen bestehen, was mich insbesondere insofern total fertigmacht, als dass ich ohnehin schon unter enormem Zeitdruck stehe und bis zum ersten März noch zwei Klausuren und zwei Hausarbeiten vor mir habe.
Seit Oktober nehme ich das Ganze auch wieder viel mehr als Problem war und überlege hin und her, vielleicht doch mal mit jemandem zu sprechen und evtl. sogar einen Psychotherapeuten auzusuchen. Da ich nicht besonders viele enge Freunde habe und meinen Freund erst in den Semesterferien wieder sehen werde und das Verhältnis zu meinen Eltern nicht besonders gut ist, frage ich mich fieberhaft, wem ich es denn erzählen könnte und komme immer wieder zu dem Schluss, dass ich es dem-/ derjenigen nicht zumuten kann. Außerdem weiß ich, dass ich, sobald ich es jemandem aus meinem Bekanntenkreis erzähle, nicht mehr zurückkann und immer "die, die eine ES hat(te)" sein werde. Direkt zu einem Therapeuten zu gehen ist jedoch auch nicht wirklich eine Option für mich. Ich studiere Psychologie im Nebenfach und weiß daher einigermaßen bzgl.psychotherapeutischen Vorgehensweisen Bescheid, was mich aber eher von einer Therapie abschreckt. Ich kann mir bei keinem Verfahren (insbesondere denen, die auf Psychoanalyse beruhen) vorstellen, dass es mir besonders viel bringen würde, insbesondere da sich das Ganze bei mir schon ziemlich chronifiziert hat. Dass ich es alleine nicht auf die Reihe bekomme, ist mir jedoch angesichts der langen Zeit, während der ich mich schon mit der Sache herumschlage, auch klar. Seltsamerweise frage ich manchmal, ob ich es nicht einem Dozenten erzählen sollte- keine Ahnung, wieso, ich kenne ihn wieder besonders gut, noch finde ich mich zu ihm hingezogen o.Ä., nur recht ruhig und verständnisvoll. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass Dozenten, auch wenn sie Psychologen (keine Psychotherapeuten) sein mögen, nicht unbedingt als Kummerkasten X-beliebiger Studenten fungieren können und des Weiteren will ich bei der Bewertung meiner Leistungen natürlich auch keinen "Mitleidsbonus".
Manchmal überlege ich, wie ich so mitleidserregend aussehen könnte, dass mich jemand direkt ansprechen würde (mein Hüftknochen steht ziemlich heraus und die Schultern sind auch total knochig), dann entscheide ich mich doch wieder für den Schlabberlook und den Abdeckstift für die Augenringe. Ich denke, dass die meisten Leute, die mich kennen, nicht im Traum daran denken, dass ich eine ES haben könnte. Ich bin ja schließlich die, die alleine nach Südamerika reist, politisch interessiert ist und auf Demos geht , nur gute Noten schreibt, meistens lustig ist, Gedichte schreibt und immer das tut, das sie für richtig hält und sich nicht um Konventionen schert.
Dabei gehe ich seit Monaten kaum noch weg, nehme mir vor die ganze Arbeit für die Uni, die sich angestaut hat, zu erledigen, schaffe- zumindest, wenn ich zuhause und nicht in der Bibliothek arbeite, doch wieder nichts, weil mir ein FA dazwischenkommt und fühle mich schlechter und schlechter....
Ich hoffe, irgendjemand liest meinen Roman und äußert irgendeine Reaktion....