Hallo Doriane
Hallo Doriane,
danke für deine ausführlichen Schilderungen und dass du so viel erzählt hast.
Ich komme aus Österreich, bei uns sind die Regelungen anders. Nur ganz wenig wirklich sehr schwer psychisch Kranke bekommen bei uns eine Psychotherapie zur Gänze bezahlt. Die Therapie wird zwar von der Krankenkasse sofort genehmigt, aber sie bezahlen ca. nur 1/3 der Kosten. Trotzdem habe ich es gemacht.
Ich verstehe sehr gut, dass dir der Abstand von 2-3 Wochen viel zu groß ist. In der Zeit dazwischen fühlst du dich allein gelassen. Wäre es nicht möglich, dass du mehr Stunden bei ihr nimmst, die du selber bezahlst und dadurch die Abstände verringerst? Und in der Zeit dazwischen könntest du Tagebuch führen, einfach deine Gefühle und Stimmungen aufschreiben.
Ich kenne das auch, dass ich mal während einer Therapiestunde den Faden verliere und nach der Stunde denke, das kann doch nicht alles gewesen sein. Mittlerweile mache ich mir vorher meistens ein Konzept, worüber ich reden möchte; hin und wieder, wenn es ganz "schlimm" ist, dann schreibe ich meiner Therapeutin vor dem Termin eine E-Mail und teile ihr meine Gedanken mit, dann ist sie schon vorbereitet und sie geht dann voll drauf ein (ich habe Glück mit ihr, dass sie so locker und leger ist).
Auch ich kenne den Druck in der Arbeit. Auch ich bin dadurch oft viel zu müde und fertig, um noch etwas zu unternehmen. Das hat sich durch die Therapie nicht geändert. Aber ich lerne, damit umzugehen und es auch zu akzeptieren, dass ich halt müde und ausgelaugt bin und dass mein Körper Ruhe braucht.
Auch ich kenne den Perfektionismus. Das kennen wir doch alle. Perfekt sein im Job, in der Beziehung (wenn man eine hat), alles muss immer 100%ig sein, besser noch 150% ig, und wehe, wenn es nicht so läuft....
Es ist unglaublich, auch ich mache gerade eine Hormonveränderung durch. Ich bin 42 und mein Frauenarzt hat bei mir gerade einen großen Mangel an Östrogen festgestellt (dadurch habe ich auch schon Osteoporose bekommen). Ich muss jetzt ein Östrogen-Präparat und etwas gegen die Osteoporose nehmen, weiß noch nicht wie sich die Hormonzugabe auswirken wird.
ich entdecke immer mehr Gemeinsamkeiten mit dir!
Auch ich habe eine Trennung hinter mir, die war wirklich schlimm. Die Trennung hat mich nach einer langen beschwerdelosen Zeit auch wieder in die Essstörung reinrutschen lassen.
Wie oft hast du denn die abendlichen Fressanfälle? Kommen die regelmäßig, oder hast du sie nur in großen Abständen?
Auch ich kenne das Problem. Ich habe gelernt, dass die Fressanfälle eine natürliche Reaktion des Körpers auf das zu wenig Essen ist. Wenn man über längere Zeit dem Körper die Stoffe vorenthält, die er zum Überleben benötigt, dann will er sich das irgendwie zurückholen. Du selbst denkst, du verlierst die Kontrolle in dem Moment, aber das ist nicht so. Ich habe das durch meine Therapeutin erkannt und mich dann viel mit Gesunder Ernährung beschäftigt. Bei mir kommen die Fressanfälle jetzt in riesigen Abständen, so alle paar Monate mal, und wenn es passiert, dann lasse ich es bewusst passieren, weil ich weiß, woher es kommt, ich hasse mich nicht mehr dafür.
Du schreibst, du hattest Bulimie. Ich habe nie erbrochen. ich kann es nicht, habe es ein, zwei Mal versucht, aber gott sei dank schaffe ich es nicht.
Sprich doch mit deiner Therapeutin, dass du weiterhin zu ihr gehen möchtest. Verbirg deine Gefühle nicht vor ihr. Wenn du nicht wechseln möchtest, dann musst du es auch nicht. Und definitiv als Patientin ablehnen, das wird sie doch nicht. Aber du musst es ihr sagen, sonst weiß sie es nicht.
Du schreibst von der Einsamkeit, die du fühlst, weil du nicht geliebt wirst. Das kenne ich. Das kennen viele von uns. Das ist auch ein großer Teil unseres Problems. Anderen von unseren Problemen zu erzählen, die Schwierigkeiten mit dem Essen, die Einsamkeit .... das wollen die meisten nicht hören. In unserer Gesellschaft ist man leider nur gefragt und begehrt, wenn man funktioniert und so tut als wäre alles super. Wenn du nicht so funktionierst, dann erntest du Ablehnung und das tut dann noch mehr weh.
Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden. Es ist ein Teil von mir, den ich akzeptiere. Ich verbiege mich nicht mehr, um anderen zu gefallen. Ich versuche, ich selbst zu sein.
Auch ich habe große Probleme mit der Vergangenheitsbewältigung (Kindheit). Ganz aufarbeiten muss man die Vergangenheit auch nicht. Man muss nur Frieden damit schließen können. Frieden mit dem was passiert ist und inneren Frieden mit den Personen, die es verursacht haben (das will nicht heißen, dass du ihnen verzeihen und sie lieben sollst, aber du sollst damit abschließen lernen).
DU selbst bist die wichtigste Person in deinem Leben. Auf dich kannst du immer vertrauen. Du wirst immer für dich da sein. Sei eine gute Freundin zu dir selbt und vertraue auf deine Gefühle und Stimmungen. Lehne sie nicht ab, sondern nimm sie an, als Teil von dir.
Das klingt jetzt alles vielleicht etwas besserwisserisch. Tut mir leid. Ich wollte nicht so rüberkommen.
Ich habe viel über das Thema gelesen, über Essstörungen, über Selbstwertgefühl. Das hat mich sehr weiter gebracht. Und ich konnte nicht anders, ich musste das jetzt einfach alles schreiben. Wenn es dir - oder anderen - zu viel ist, dann ... sorry.
Ich verstehe sehr gut, warum du so viel geschrieben hast. Man fängt mit einer kleinen Frage an, möchte etwas erfahren, und auf einmal hat man das Bedürfnis alles loszuwerden und muss alles aufschreiben.
Auch mein Text ist länger geworden, als ich zu Beginn dachte.
Ich lese in diesem Forum schon seit langer Zeit, aber erst seit kurzem habe ich mich angemeldet. Und ich persönlich profitiere sehr dadurch. Ich hoffe, meine Beiträge, die ich als älteres Semester hier schreibe, nerven die anderen nicht all zu sehr. Die Berichte der jungen Mädchen machen mich oft ganz traurig, aber ich finde es bewundernswert, dass sie so früh das Problem erkennen und dagegen etwas unternehmen wollen.
ich würde mich sehr freuen, wieder von dir zu hören.
Du kannst mir auch gerne eine persönliche Nachricht schicken.
Liebe Grüße
Carpediem