Meine Erfahrung
Als Tochter eines Alkoholikers muss ich dir leider sagen: du kannst ihm nicht helfen! Nicht durch Trennung, nicht dadurch dass dubei ihm bleibst oder versuchst ihn zu einem Entzug zu überreden.
Mein Vater ist Alkoholiker, dies schon seit vielen vielen Jahren. Meine Mutter hat viel mitgemacht, genauso wie wir Kinder. Es war eine schreckliche Zeit, er trank immer mehr und man konnte nichts mit ihm anfangen. Unser Familienleben war kaputt, ich wollte schon nicht mehr nach Hause gehen manchmal weil ich wusste das mein Vater wieder vollgedröhnt daheim rumsitzt. Er verlor seinen Job, seinen Führerschein, machte Schulden. Diese Abhängigkeit hat ihn und unsere Familie kaputtgemacht. Wir haben alles versucht. Haben ihn dazu gedrängt einen Entzug zu machen, haben aufgehört ihn zu unterstützen, haben ihm gezeigt dass wir seine Sucht nicht unterstützen. Alles hat nichts gebracht. Selbst als er fast gestorben wäre deshalb (Bauchspeicheldrüsenentzündung - kam vom Alkohol) hörte er nicht auf.
Meine Mutter wusste nicht mehr weiter und irgendwann entschloss sie, einen Schritt zu tun: sie trennte sich. Mein Vater zog aus (nicht ohne einige Probleme), wurde getrennt von seiner Familie, erhielt von uns keinerlei Unterstützung. Wir dachten, wenn er fallengelassen wird von den Menschen die ihm wichtig sind, dann wird er es begreifen. Doch dem war nicht so. Er sah keinen Grund mit dem Trinken aufzuhören. Jetzt konnte er es sogar noch ungestörter machen weil ihm keiner mehr auf den Geist ging in seiner eigenen Wohnung.
Meine Mutter und meine Schwester haben wieder Kontakt zu ihm, ich für meinen Teil will das nicht. Ich habe genug gesehen und genug mitgemacht - ich kann das einfach nicht mehr. Ich kann ihm auch nicht vergeben oder vergessen was war bzw. was immer noch ist. Er ist immer noch alkoholkrank und wird das sicher auch bleiben bis er irgendwann ins Gras beißt. Mir sträubt sich einfach alles wenn ich ihn sehe, abgemagert, krank, gebrochen vom Alkohol. Er tut mir auch nicht leid, er hat sich diese Suppe selbst eingebrockt und hat sich von seiner Familie nicht helfen lassen. Der Schnaps war ihm wichtiger als seine Familie, er hat die Familie liebend gern eingetauscht gegen eine weitere Flasche Alk.
Und weil ich diese Erfahrung gemacht habe kann ich dir sagen: es gibt für einen Alkoholiker keine Liebe bzw. keinen Menschen der wichtiger ist als seine tägliche Ration Schnaps. Ein Alkoholiker steht sich selbst am nächsten, gibt anderen die Schuld für sein verkorkstes Leben und sogar daran, dass er trinkt. Mein Vater tat dies liebend gern - uns die Schuld in die Schuhe schieben. Wegen uns wäre er erst Alkoholiker geworden und so ein Schmarrn. Der Alkoholiker findet immer Mittel und Wege an seinen Stoff zu kommen - er braucht das.
Alkoholismus ist eine ernstzunehmende Krankheit, der Körper geht kaputt davon genauso wie die Beziehungen.
Es gibt kein Patentrezept dafür wie man einen Alkoholkranken zur Vernunft bringen kann. Wir haben es versucht mit Bequatschen, mit Liebesentzug, mit Schimpfen, mit Verlassen. Es hat alles nichts geholfen.
Du solltest dich vielleicht von deinem Freund trennen - nicht um ihm zu helfen sondern um dir das Leben leichter zu machen. Ich weiß wie es ist tagtäglich mit einem solchen Menschen zusammenzusein und ihn zu sehen wie er immer weiter absinkt. Ich habe es mitgemacht bis er fast ganz unten war - es war nicht schön. Es macht dich kaputt wenn du sowas siehst, glaub mir.
Das klingt jetzt vielleicht hart und nicht gerade nett. Aber du musst dir jetzt selbst helfen - verlass ihn, zumindest für eine Weile. Er muss sein Leben selbst wieder in den Griff bekommen und dabei kann ihm niemand helfen. Niemand, außer er selbst. Er muss selbst etwas ändern - du kannst das nicht für ihn tun.
Du kannst nur hoffen, dass er noch rechtzeitig den Absprung schafft. Denn ab einem gewissen Punkt können die meisten nicht mehr zurück. Sie sind zu krank, brauchen es zu sehr, brauchen immer mehr davon um überhaupt in der Früh hochzukommen.
Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass dein Freund noch den Absprung schafft und wieder ein normales Leben führen kann.