Nur kein Gramm zu viel
Wenn Kinder nichts mehr essen wollen
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Laura stand in ihrem Zimmer auf einem Bein und schaute traurig zum Fenster hinaus. "Wenn ich stehe, verbrenne ich mehr Kalorien als im Sitzen", wusste Laura schon vor zwei Jahren. Sie war elf, als ihre Essstörung begann.
In der Schule wurde sie oft gemobbt, weil sie besser war als andere. Auch im Sport war Laura sehr ehrgeizig: "Ich wollte die Schnellste sein und bin am Nachmittag immer in unserem Garten hin und her gelaufen. Ich habe trainiert wie verrückt, bis meine Eltern es verboten haben, und dann habe ich angefangen, immer weniger zu essen."
"Wir waren hilflos", erinnern sich Lauras Eltern. "Was soll man tun, wenn das Kind nicht mehr isst, Zwänge entwickelt und sich den Bauch einschnürt? Kinder haben dann eine ungeheure Macht." Laura wurde 2009 zum ersten Mal in die Kinderklinik in München Schwabing aufgenommen. Jetzt ist sie zum zweiten Mal hier. Ihre Eltern tun, was sie können, damit ihre Tochter wieder gesund wird. In Familientherapiestunden wird ganz offen über Probleme gesprochen. Meistens sind mehrere Faktoren für die Krankheit verantwortlich. Die Familie will die Krankheit gemeinsam besiegen.
"Die Brezeln mit Butter zu essen, traust du dich noch nicht?", fragt ein Mädchen den damals elfjährigen Dominik. Dieser schüttelt den Kopf. Heute ist Dominik 15. Er sitzt zusammen mit seiner Mutter auf dem Sofa und schaut sich die Filmaufnahmen von damals an. Auch Dominik war zur Behandlung von Essstörungen in der Kinderklinik. "Ich haben um jedes Gramm gekämpft", erinnert er sich.
"Wenn du dein elfjähriges Kind alleine in der Klinik zurücklassen musst und ihm nicht helfen kannst, ist das die Hölle", erzählt seine Mutter. "Dominik ist sehr introvertiert, seine Gefühle muss man erraten, da war professionelle Hilfe wichtig." Dominik fand damals einen Freund in der Klinik, dem er sich öffnen konnte. Diese Freundschaft, die Therapie und ein verändertes Verhalten gegenüber der Krankheit in der Familie halfen Dominik, die Krankheit zu überwinden und darüber zu sprechen.
Leo ist 16 Jahre, als er in die Klinik kommt. Auch er hat schon einen langen Leidensweg hinter sich. Seit Jahren isst er nur noch Nudeln mit Käse und wird immer dünner. "Ich mache extreme Sachen, ich versuche, drei Tage nichts zu trinken, dadurch bin ich anders als andere - etwas Besonderes." Etliche Therapien und Versuche, die Krankheit in den Griff zu bekommen, lassen ihn jetzt in der Zeit als Teenager rebellieren. Er will, dass ihn die Erwachsenen in Ruhe lassen. Er möchte es alleine schaffen.
Doch sein Vater besteht darauf, noch einmal diesen erneuten Therapieversuch zu starten. "Ich weiß, dass er übertherapiert ist. Man darf mit ihm nicht übers Essen reden, sonst macht er ganz dicht. Ich muss lernen loszulassen und versuchen, ihm zu vertrauen, dass er es schafft. Die Vorstellung, dein Kind verhungert vor dem gedeckten Tisch, ist grausam." Auch Leo will es mit der Therapie versuchen. Wird er sich den Therapeuten öffnen, oder wird er einen anderen Weg finden?
In den letzten Jahren beobachten Ärzte, dass ihre Patienten immer jünger werden und immer öfter auch Jungen eine Essstörung bekommen. "37 Grad" begleitet Dominik, Leo und die kleine Laura über ein halbes Jahr. Je früher sie Hilfe bekommen, desto größere Chancen haben sie, nicht ein Leben lang an dieser Krankheit zu leiden.