Hallo zusammen,
dies ist mein erster Beitrag hier bei GoFeminin und ich hoffe, dass es mir gelingt, mich einigermaßen kurz zu fassen.
Ich bin 37 Jahre alt und seit nun 7 Jahren alleinerziehende Mutter einer 9-jährigen Tochter.
Seit Anfang 20 habe ich quasi über Nacht eine ziemlich unangenehme "Macke" entwickelt: Ich konnte plötzlich nicht mehr vor anderen Essen ohne dass meine Hände zu zittern anfingen. Dies trat hauptsächlich im Berufsleben auf. Angst, sich vor Autoritätspersonen zu blamieren, Vorträge, Präsentationen, vor anderen sprechen und sich vorstellen... alles der Horror. Daraus resultierten Depressionen und der Rückzug aus dem erlernten Job. Ich habe nur noch das gemacht, was mir nicht mehr so große Angst einjagte, habe mich in Umfeldern bewegt, wo ich mich menschlich wohler fühlt. Also eher schlecht bezahlte Nebenjobs als knallhartes Business.
Dann kam meine Tochter, die Trennung von ihrem Vater und mir wurde klar, dass ich etwas ändern...wieder einen Fuß in die Tür bekommen muss. Wenn ich zu lange aus meinem alten Job raus bin, wird das nichts mehr!
Ich habe mich dann beworben und wirklich sofort einen Job bekommen. Ich bin jetzt seit 7 Jahren in dieser Firma und fühle mich sauwohl. Allerdings muss ich dazu sagen, dass es die ersten Monate wieder so schlimm wurde, so dass ich mich endlich dazu aufraffen konnte, mir medikamentöse Unterstützung zu holen. Meine Nerven waren nämlich schon so hinüber, dass ich schlecht schlief und meine kleinen Muskeln im Augenlid und sogar in der Lippe ständig zuckten. Sogar mein Neurologe, der eigentlich hauptsächlich mit der chinesischen Medizin arbeitet, sagte zu mir, dass ich lieber Medikamente einnehmen soll als dass ich mir durch ständigen Stress und Adrenalin körperliche Schäden zufüge.
So kam ich also zu Cipralex. Ich hatte mit diesem Medikament schnell Erfolge. Es war mir möglich, durch immer wiederkehrende positive Erfahrungen, meine Angst so langsam auszutricksen und es wurde alles viel viel besser. Ich hatte kaum bis keine Nebenwirkungen, habe mich nicht benommen gefühlt, habe nicht zugenommen und hatte auch keine Probleme mit meiner Libido - im Gegenteil ;-)
Ich muss dazu sagen, dass ich nur sehr niedrig dosiert habe. Mein Arzt hat mir da völlig freie Hand gelassen. Nie habe ich mehr als 10 mg genommen. Meist nur 5 - 7,5 mg und das letzte halbe Jahr nur noch 2 Tropfen, das heißt 2 mg.
Natürlich habe ich, als absoluter Kontrollfreak, schnell mit mir gehadert und hatte immer im Hinterkopf, dass es ja auch ohne Medikamente gehen muss und habe immer mal wieder versucht, die Dosis zu reduzieren, was aber meist in die Hose ging. Nun ist es mir Mitte Juli diesen Jahres gelungen, das Medikament ganz abzusetzen.
Tja, wie geht es mir jetzt? Ich weiß nicht, ob ich wirklich depressiv bin. Aber irgendwie fehlt mir der Halt. Ich habe schon wieder Situationen erlebt, in denen ich mich ängstlich fühle. Die Angst vor der Angst ist wieder etwas präsenter.
Vor allem bin ich so unglaublich emotional und das nervt mich tierisch. Ich vermute sogar, dass ich zu den sogenannten "Hochsensiblen" gehöre. Aber darauf möchte ich jetzt nicht noch eingehen und es genauer erklären, denn sonst säße ich noch heute Abend an meinem Text.
Zurück zur Emotionalität. Ich habe seit 2 Monaten zu den denkbar unmöglichsten Situationen Tränen in den Augen. Alles rührt mich oder stimmt mich halt auch traurig. Es ist so als wäre meine Grundwassertränenspiegel viel zu hoch. Ständig schwappt es über. Aber in den peinlichsten Situationen:
Meine Tochter ruft mich auf der Arbeit an, um mir zu erzählen, dass sie unserer sehr alten Nachbarin den Müll runtergetragen hat und sie daraufhin zu ihr meinte, dass sie ein gutes Mädchen sei: TRÄNEN!
Mein Chef lud uns alle neulich mal zu sich nach Hause ein. Sein 12 jähriger Sohn hat uns dann was auf dem Klavier vorgespielt und es war weder besonders herausragend, trotzdem kamen mir sofort die TRÄNEN.
Meine Kollegin, die ich schon 4 Jahre kenne, hat mir vor ein paar Tagen erzählt, dass ihr Vater als sie 9 Jahre alt war (so alt wie meine Tochter jetzt!) bei einem Autounfall getötet wurde. Da kamen mir nicht nur die Tränen, sondern ich musste richtig heulen!
Ich könnte hundert weitere Dinge aufzählen aber ich denke, ihr wisst ungefähr, was ich meine.
Seit ca. 2 Wochen überlege ich nun, wieder Cipralex zu nehmen. Die dunkle Jahreszeit steht vor der Tür und in meiner Familie kündigen sich schwierige Zeiten an. Mein Vater baut stark ab und all die Gedanken an Leid, Pflege und Tod machen mich total hilflos und ich weiß nicht, wie ich damit in Zukunft klarkommen soll.
Seit 1 Woche denke ich den ganzen Tag an nichts anderes: Soll ich wieder Tabletten nehmen oder nicht? Du hast es jetzt 2 Monate ohne geschafft (das was ich die letzten Jahre nie für möglich gehalten habe!)... Du bist nicht wirklich depressiv, andere schaffen es auch ohne, du bist doch auch oft so fröhlich (so sehr, dass ich die Schönheit des Lebens manchmal kaum ertragen kann -absurd!)
Ich mache mir mit einen Gedanken manchmal das Leben schwer...
Ich wünsche mir einfach ein bisschen dickeres Fell.
Und ich glaube nicht daran, dass man so was durch Therapien so einfach schaffen kann. Ich habe übrigens zwei mal eine Therapie gemacht. Die eine ging sogar über ein Jahr aber ich war nicht wirklich zufrieden. Im Endeffekt sind die Eltern immer die Bumänner. Ja, meine Eltern haben Fehler gemacht aber ich bin mir darüber bewusst, habe verziehen und liebe sie trotzdem sehr. Es gibt, glaube ich, keine perfekte Kindheit. Ich mache auch Fehler bei meiner Tochter.
Ich habe bei meinem Neurologen versucht einen kurzfristigen Termin zu bekommen aber leider ist erst Anfang November wieder was frei.
Gestern hatte ich ein ätzendes Gespräch mit meiner Mutter und hatte danach totale Kopfschmerzen. Dann habe ich den Mut gefunden und habe eine halbe Tablette (5 mg) Cipralex genommen. Sofort danach hatte ich ein schlechtes Gewissen. "Wie schade". "Du hast es doch jetzt schon so lange ohne geschafft". "Jetzt bist du wieder Auf Drogen"... das übrigens alles mit der Stimme meiner Mutter, die ja sooooo froh war, dass ich es endlich geschafft habe, von dem "Mist" runterzukommen.
Im Prinzip, wenn ich wirklich wieder was nehmen will, müsste ich ja JETZT die zweite halbe Tablette einnehmen. Es bietet sich an, jetzt einzuschleichen, da ich nächste Woche Urlaub habe.
Was meint ihr?
Bitte keine empörte Stimmen, dass dies hier ein FORUM ist und man hier keinen ärztlichen Rat einfordern kann, etc. Darüber bin ich mir bewusst. Ich würde nur gerne wissen, wie andere Menschen, denen es vielleicht sogar ähnlich geht, darüber denken.
Viele liebe Grüße
Amy