Ich suche Frauen zum Austausch, die bei einer alkoholkranken und aggressiven Mutter aufgewachsen sind. Ich habe Familie und Beruf, einige Therapien hinter mir, doch die Angstzustände kommen immer wieder.
Ich wuchs allein bei ihr auf, meine Geschwister alle viel älter, zogen bei Zeiten aus, bzw gerieten auf die schiefe Bahn. Als Kind habe ich nie darüber gesprochen, dass meine Mutter trinkt, mich schlägt und anschreit. Meine Scham war viel zu groß, denn schließlich glaubte ich, dass ich dumm und böse war und alles verdient hatte. Nur sollten das nicht andere auch noch mitbekommen. Ich war ein stilles Kind, dass kaum redete und so auch kaum Kontakt zu seinen Mitschülern hatte. Meine Mutter drohte mir trotzdem, wenn ich irgend etwas erzählen würde, käme ich ins Heim. Und dort würde ich erst recht Schläge bekommen, weil dann alle sehen würden wie schlecht ich bin.
Geschlagen hat sie mich mit einem Teppichklopfer aus Holz, der immer aus dem Schrank geholt wurde, wenn es so weit war. Ich hatte dann rote fingerdicke Striemen auf Armen und Beinen. Selbst im Hochsommer trug ich langärmlige Kleidung. Für den Schulsport zog ich mich in der Dusche um, damit es keiner sah. Manchmal gab sie mir auch eine schriftliche Bescheinigung mit, das ich vom Sport befreit wurde. Oft waren es auch nur die Fäuste, mit denen sie zuschlug egal wohin. Auf den Kopf, die Arme, die Beine. Manchmal zog sie mich an den Haaren durch die Wohnung.
Ich erinnere mich an eine Zeit, in der sie den Teppichklopfer nicht benutzte, sondern nur noch mit den Fäusten zuschlug und zwar immer auf den Hinterkopf. Warum weiß ich nicht, aber in dieser Zeit litt ich unter ständigen Kopfschmerzen. Vielleicht hatte irgendjemand was mitbekommen und sie daraufhin angesprochen. Die Schule war es jedenfalls nicht, denn die unterstellten mir zu simulieren, da war ich 9 Jahre alt. Ich weinte und erwähnte nie wieder meine Kopfschmerzen. Damals war mir der Zusammenhang auch gar nicht klar, das dies von den Schlägen kommen könnte.
Wie lief so ein Tag ab? Wenn ich von der Schule nach Hause kam, hatte ich schon angst, wie sie wohl drauf sein könnte. Wenn sie mir die Tür öffnete, reichten zwei, drei Sekunden um zu erkennen ob sie was getrunken hatte. Wenn ja bekam ich gleich die volle Wucht ab. "Komm rein du ... " und die Schläge folgten. Wenn sie noch nicht so sehr betrunken war durfte ich raus spielen und das war ich oft. Abends dann traute ich mich nicht heim, ich lauschte am Fenster ob sie schlief und schlich mich ins Bett. Irgendwann in der Nacht bekam sie Durst, wurde munter und verlangte, dass ich ihr Wasser holen sollte. Das war die Zeit in der sie am aggressivsten war. Ich durfte keinen Mucks von mir geben wenn sie zuschlug. Sie drohte mir dann mich tot zu schlagen. Morgens ging ich müde und mit angst in die Schule. Denn wie so oft hatte ich keine Hausaufgaben gemacht. Manchmal durfte ich sie von jemanden abschreiben! Oder ich erfand Lügen warum ich sie nicht dabei hatte. Das perfiede war, dass mich meine Mutter morgens immer fragte: "Na mein Anchen (ihr Kosename für mich), gestern hatten wir doch einen schönen Abend!" Einmal hab ich all meinen Mut zusammen genommen, weil ich dachte sie würde sich vielleicht garnicht erinnern, ich dachte wenn ich ihr es im nüchternen Zustand sage, dann bekommt sie vielleicht einen Schreck und hört auf damit, also sagte ich "Nein Mutti, das war nicht so schön, du hast mich geschlagen" Ich hab so eine geschossen bekommen, dass mir fast der Kopf platze.
Wenn ich zum Schulbus ging lehnte sie sich aus dem Fenster und winkte mir. Manchmal wenn ich es aus den Augenwinkeln sah, tat ich als würde ich sie nicht bemerken und drehte mich nicht zu ihr um, um zurück zu winken. Wenn ich dann wieder nach Hause kam beschimfte sie mich: "Du dreckiges kleines ... alle bekommen mit was für ein erbärmliches Dreckstück du bist, winkst noch nicht mal deiner Mutter!"
Einmal fuhr sie mit mir in die Stadt, ich hatte mich nicht so benommen wie sie es wollte und die ganze Fahrt nach Hause sagte sie mir: "Na warte lass uns mal nach Hause kommen, dann kannst du was erleben" Ich erinnere mich an die Angst die ich ausgestanden hatte, es war als schnürte es mir die Brust ab, ich weinte und bettelte "Bitte nicht Mutti, bitte nicht!" Aber das schien sie nur noch mehr in Rage zu bringen. Einmal hatte sie eine Betriebsfeier in unserem Ort. Sie trug mir auf Sie zu einer bestimmten Zeit abzuholen, und so ging ich dann auch los.
Ich war nicht älter als 10 Jahre. Durch die Fenster sah ich meine betrunkene Mutter wie sie tanzte alleine, mit den Füßen aufstampfte, das Gleichgewicht verlor sich wieder fing. Ich sah in die Gesichter ihrer Arbeitskollegen, einige ammüsierten sich, andere schüttelten den Kopf und sahen angewiedert weg. Ich schämte mich so, am liebsten hätte ich mich irgendwo versteckt, aber die angst vor ihr, zwang mich da rein zu gehen. Als sie mich sah, rief sie "Mein Anchen ist da, sag das Gedicht auf dass du gelernt hast!". Alle Augen waren auf mich gerichtet, ich schüttelte den Kopf, denn ich konnte nicht. Sie wurde wütend, drängte mich weiter. Ich konnte nicht, stand wie versteinert da, obwohl ich es liebte Gedichte aufzusagen, aber nicht mit dieser Scham und diesen Gesichtern vor mir. Eine andere Mutter kam mir zu Hilfe und ließ ihre Tochter ein Lied singen. Ich erinnere mich noch wie stolz und voller Innbrunst dieses Mädchen sang und wie meine Mutter mir mit der Faust drohte. Auf dem Heimweg bereitete sie mich wieder auf das vor, was mich zu Hause erwartete. Zur Unterstützung ihrer Wut drückte sie meine Hand so fest, dass es schmerzte und ich in die Knie ging.
Ab und zu kamen meine Geschwister zu Besuch für ein paar Stunden. Alkohol wurde getrunken und es artete immer in lautstarken, handgreiflichen Streit aus. Die Glasscheibe der Haustür wurde zerbrochen, übelste Beschimfpungen, die Nachbarn bekamen alles mit.
Meine Schwester kam nach fünf Jahren aus dem Knast und änderte ihr Leben. Ich bewunderte sie dafür viele Jahre. Erst als ich selbst ein Kind hatte und miterleben mußte wie meine Mutter ausholte und mein Kind schlagen wollte, fing ich an zu hinterfragen. Meine Schwester die regelmäßigen Kontakt zu meiner Mutter hatte, fragte mich nicht ein einziges mal wie es mir geht. Sie sprach mich nie auf das gewaltätige Verhalten meiner Mutter an. Einmal da war ich 11 Jahre, ich wollte mich mit einem Gürtel an der Tür erhängen. Sie machte sich mit meiner Mutter darüber lustig und drohte mir meinen geliebten Taddy zu verbrennen, wenn ich nicht endlich aus dem Zimmer kommen würde.
Die Abende waren nun etwas anders, oft erzählte mir meine Mutter von früher, immer mit der Flasche Korn an ihrer Seite. Ich musste zuhören auch wenn ich müde war und alles schon hundert mal gehört hatte. Sie versank in ihrem Selbstmitleid, heulte bis ihr die Rotze aus der Nase hing, umarmte mich. Ich ekelte mich, sprach ihr trotzdem Mut zu. Ich war die Beste, alle anderen waren Schweine, vor allem ihre Kinder, bis ich dann wieder diejenige war die von allen das größte Schwein war. Sie konnte so betrunken wie sie war nicht mehr nach draussen auf das Plumsklo gehen, also erledigte sie dies auf einem Eimer, den ich dann rausbrachte. Oft schaffte sie es nicht mal mehr auf den Eimer, während ich ihr die Strumpfhosen und Schlüper runterzog und ihr half die richtige Position zu finden, verrichtete sie schon ihr Geschäft. In der Nacht dann wieder wie immer. Sie wurde munter bekam durst, beschimpfte und schlug mich.
Als ich 14 Jahre alt war, hielt ich das erste mal die Arme meiner Mutter fest, als sie wieder einmal wie eine tobsüchtige zuschlagen wollte. Sie hatte so eine enorme Kraft. Sie spuckte mir ins Gesicht. Ich gab ihr eine Ohrfeige. Sie schrie "Hilfe, hilfe ich werde geschlagen!" Einmal habe ich mich aus angst im Schlafzimmer eingeschossen. Ich wollte zur Disco, da war ich 16 Jahre. Als ich vor dem Spiegel stand und mich frisierte, sagte sie:"Du hässliche Kuh, dich guckt doch sowieso keiner an mit deinen Pickeln" Sie steigerte sich immer weiter rein wollte mir mein Oberteil zerreißen. Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür und wurde immer wütender. Dann holte sie die Axt aus dem Stall. "Ich erschlage dich, du...!" Und das hätte sie auch, das wusste ich in dem Moment. Sie schlug mit der Axt auf die Tür ein. Ich kletterte aus dem Fenster und haute ab. Die kaputte Tür musste sie erklären. Sie erzählte meiner Schwester, dass ich sie schlagen würde und für Sie war ich auch ein böses Kind, das es verdient hatte. Das waren die Worte meiner fünfzehn Jahre älteren Schwester vor ein paar Jahren, als ich sie fragte warum sie mich nicht von meiner Mutter weggeholt hatte.
Wenn mein Bruder O. nicht gewesen wäre, hätte ich ihr vielleicht geglaubt und wäre heute nicht mehr am Leben. Nur durch die Gespräche mit ihm, seine Tränen als er schilderte wie unsere Mutter ihn mit dem Feuerhaken verprügelte, ist es mir möglich ein Leben zu führen.
Wie geht Ihr damit um? Habt Ihr jemanden zum reden? Mein Bruder ist vor zwei Jahren verstorben! Menschen, die so etwas nicht erlebt haben, sind damit leicht überfordert. Eine Freundin meinte mal: "Egal was meine Mutter mir antun würde, ich würde nie den Kontakt zu ihr abbrechen, so wie du!" Das tat verdammt weh.
Meine Mutter ist nun schon einige Jahre tot und ich hatte lange Zeit angst vor diesen Moment, weil sie mir prophezeite, dass ich sie vor lauter Sehnsucht ausbuddeln würde!
Es gab nicht eine Sekunde in der ich sie vermisste. Aber ich denke oft daran, was sie mir hinterlassen hat!