an0N_1250809299zHuhu
wollte dir eigentlich schon letzte Woche antworten, aber da spinnte mein Internet.
Irgendwie ist deine Antwort ein bsschen klischeehaft, oder?
Arme Essgestörte haben niemals Freude am Essen und schon gar nicht am Leben, und am stärksten ist man dann, wenn man zum nächsten Arzt rennt und sich in die Klinik einweisen lässt.
Ja, super.
Ich habe den Beitrag aber nicht geschrieben, weil ich Hilfe suchen will, sondern weil er meine Hilfe ist. Schreiben und selbstreflektion, das, was mir immer geholfen hat.
Und in der normalen Bulimie stecke ich ja nicht wirklich so tief drin, eine Woche Kotzen reicht zwar, um fertig zu sein, aber für das krankheitsbild Bulimie müssen es dann doch ein paar Monate sein.
Ist zwar wahrscheinlich trotzdem Bulimie, denn FA + Hungern trifft ja auch auf die Diagnose zu, eben atypisch.
Aber jedenfalls lebe ich trotzdem, und Erschöpfungszustände hat ja auch jeder normale Mensch mal.
Und ich habe sogar ein ziemlich spannendes Leben, bin als Aupair im Süden, lerne viele neue Menschen kennen, eine andere (Ess-)Kultur, eine neue Sprache, und wenn ich Ausflüge mit meiner Gastfamilie mache, kann ich auch durchaus den Tag mit denen normal essen.
Eben dadurch, dass ich so viel Struktur habe und so viel zu tun, rutsche ich zwar einerseits tiefer in die ES, weil es eben mein Weg ist, Stress zu verarbeiten, aber andererseits stürze ich niemals völlig ab, weil ich ja den Schein erhalten will, und mich verantwortlich für die kinder fühle und schon, um denen nicht zu schaden, mich selber auch nicht völlig kaputt mache.
Ich kann auch durchaus Essen genießen, wenn es nicht zuviele Sachen auf einmal sind, die mich dann wieder überfordern. Also eben schöne, besondere Dinge, selbstgesammelte gebackene Kastanien oder irgendwelche leckeren Spezialitäten der Gegend, dir mir zum Probieren angeboten werden. Also es ist nicht so, dass immer alles nur schlecht ist.
Ich habe nicht vor, mich jemandem anzuvertrauen, eben weil ich nicht in einer normalen Situation bin, ich habe keinen Arzt, meine Freunde sprechen kein Deutsch und ich weiß nicht, wie ich es ihnen erklären könnte und meiner Gastfamilie sage ich ganz bestimmt nichts, weil das doch das vertrauen ein bisschen kaputt machen würde und das Zusammenleben nie mehr so sein würde wie es ist.
Und Behandlung, die nicht auf Deutsch ist? Ne, oder? Da hilft mir doch mein Schreiben weit mehr, ich kann mir ja zum Spaß vorstellen, dass alles, was ich aufschreibe, ein Psychologe liest. Und für stationär bin ich nicht krank genug, ich bin noch hervorragend alltagstauglich und kann Spaß mit anderen haben und normal essen gehen, und außerdem habe ich eh keine Zeit, da ich ja eben für das ganze Jahr Aupair zugesagt habe, weil die Kinder eben noch so klein sind, dass sie sich nicht ständig an jemand Neues gewöhnen sollen.
Man sagt immer so schön klischeehaft, die Krankheit bin nicht ich, aber ich glaube, sie gehört eben doch zu mir, macht einen wichtigen Teil meines Lebens aus, und ist etwas, aus dem ich im besten Fall eine Menge lernen kann, mehr auf mich zu achten, achtsamer mit anderen kranken Menschen umzugehen, zu lernen, dass zum Leben eben auch unangenehme Dinge gehören, und es ist eben eine Entwicklung, durch die ich durch muss, um reifer zu werden.
Und man wird dadurch reifer, wenn du dich nur mal ein bisschen im Internet umschaust, in blogs von essgestörten, vergleiche mal das, was die schreiben, die am Anfang der krankheit stehen, und die, die da schon jahrelang drin stecken, da ist definitiv eine Veränderung zu sehen.
Naja, zwischendurch hatte ich resigniert und beschlossen, fett und fresssüchtig zu werden, wenn es mir damit besser geht und ich psychisch stabiler bin, aber ich habe gemerkt, dass das nicht so ist, weil ich viel zu ungesund gegessen habe, ständig krank wurde und mir sowieso alles weh tat, und ich hatte das Gefühl, irgendetwas hockt in meinem Bauch und versucht mich permanent umzuwerfen.
Dann habe ich ein bisschen normaler gegessen und hatte eine Heilungskrise, bekam Grippe, und nachdem die weg war, geht es jetzt etwas besser.
Ich versuche jetzt, mich mal wirklich so zu ernähren, dass ich mich wohlfühlen kann, so, dass nichts weh tut und ich mich nicht ständig zum Unfallen fühle.
und so richtig fiese FA hatte ich die letzten Tage noch nicht, auch wenn ständig so eine blöde Stimme sagt, ich soll endlich in den Supermarkt rennen und mir noch mal was besorgen, ich müsste ja gar nicht alles aufessen.
Bla, bla, bla.
Und dann die andere Stimme, wenn du jetzt ja so gesund isst, dann brauchst du auch nicht soviel, lass doch lieber wieder alles weg...
Aber so im großen und ganzen geht es mir gut.
lg