Hallo zusammen,
um ehrlich zu sein, komme ich mir gerade noch richtig dämlich vor, hier jetzt mein Problem zu veröffentlichen. Und ich weiß auch nicht wirklich, was ich mir davon erhoffe, aber ich muss es jetzt einfach loswerden, auch wenn es ein halber Roman wird, was mir jetzt schon leid tut... ich kann es auch verstehen, wenn es deshalb keiner lesen will, aber mir tut es gut, dem Ganzen mal Luft zu machen....
Ich leide an Bulimie. Denke ich jedenfalls. Nein, eigentlich weiß ich, dass es so ist. Das ganze hat vor ca. 1,5 Jahren angefangen, als ich an einem Samstag Abend wieder mal unzufrieden mit mir war und nicht weggehen wollte, weil ich zu dick war. Ich war deprimiert, hab Mengen an Essen in mich reingestopft bis mir schlecht war und Bauchschmerzen hatte. Dann hab ich mich gefragt, was ich da eigentlich gerade gemacht habe und wieso, wenn ich doch eh schon so dick bin und wollte einfach nur, dass mir nicht mehr schlecht ist... Das war das erste Mal, dass ich mein Essen wieder ausgekotzt habe. Danach habe ich mich besser gefühlt.
Kurz danach habe ich in einer Singlebörse online einen Typen kennengelernt, Nächte lang mit ihm gechattet und auch geskypt. Nach ein paar Wochen war klar, wir müssen uns unbedingt treffen. Er war so super, wir haben uns prima verstanden, die gleichen Interessen, konnten über alles reden und zusammen lachen. Und er sah einfach aus wie mein absoluter Traummann. Ich bin zu ihm in seine Stadt gefahren, habe eine Nacht bei ihm und mit ihm verbracht und war überglücklich. Als ich zurück war hat er sich kaum noch gemeldet und es wurde immer weniger. Ich war super enttäuscht und für mich war ganz klar:
das kann nur daran gelegen haben, dass er mich jetzt, wo er mich live gesehen hatte, viel zu fett und unattraktiv findet!!!
Danach ging es los mit Diäten und FDH. Natürlich nicht durchgehalten und wieder viel gegessen. Und wieder von vorn. Leider gehör ich zu der Sorte, die super schnell zunehmen und das Essen nur "anschauen" müssen, aber nur total schwierig abnehmen. Genauso leider gehör ich auch zu denen, die das mit dem Sport nicht lange durchhalten bzw. nie regelmäßig. Dann kam mal wieder ein FA und ich dachte mir, macht ja nichts, ich kann es ja dann noch mal erbrechen - so wie neulich. Gesagt, getan. Und nach dem nächsten FA wieder. Und wieder. Und immer dachte ich mir: wieso soll ich auf das Essen verzichten und es mir verbieten, wenn ich es essen kann - ich muss es danach ja nur wieder auskotzen.
Das war nicht jeden Tag so. Und ich war mir auch bewusst, dass es falsch ist, was ich da mache. Dann habe ich es 1-2 Wochen gelassen. Und dann mal wieder gemacht. Dann wieder geschafft, mich zusammenzureißen. Meist nur so lange, bis mal wieder eine Abfuhr von einem Typ kam, auf den ich stand. Oder mir immer, wenn ich in einer Gruppe von Leuten stand, bewusst wurde, dass ich immer die dickste von allen bin. Oder ich mir zum Abschuss sogar noch von meiner Oma sagen lassen musste, dass ich "ganz schön gut beieinander bin"!! Ab diesem Moment dachte ich mir, jetzt ist schluss damit. Schluss mit dem dick sein. Ich wollte nie wieder so etwas gesagt bekommen! Und dann ging es wieder öfters los mit dem Erbrechen. Ohne Erfolg. Abgenommen habe ich dadurch fast nichts.
Zwischenzeitlich war ich so verzweifelt, dass ich sogar meiner Mutter davon erzählt habe, dass ich das ab und zu mache! Sie war natürlich schockiert und hat mir versucht gut zuzureden und wir haben ausgemacht, dass ich sie immer anrufe, wenn ich merke ein FA ist im Anmarsch, so dass ich abgelenkt bin. Hat anfangs super funkioniert! Ich habe ca. 1,5 Monate nicht gebrochen! Irgendwann hatte ich einen Rückfall. Meine Mutter hat mich immer danach gefragt, ob ich es wieder getan habe. Anfangs war ich immer ehrlich. Später ich fing an, sie anzulügen. Wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht. Außerdem war ich mir sicher, dass ich das nur tue, weil ich das so will. Und dass ich einfach von heute auf morgen wieder damit aufhören könnte, wenn ich es wollte. Deshalb sah ich mich auch nicht als Bulimie krank an.
Bis heute sind weitere Monate vergangen und ich tue es immer noch. Seit 1,5 Jahren. Mal mehr, mal weniger. Inzwischen aber vermischt mit Zeiten, in denen ich es schaffe eine Zeit lang fast gar nichts zu essen und so ein paar Kilos abzunehmen schaffe. Danach kommen wieder Fressanfälle. So wie zur Zeit. Sogar mehrmals am Tag. Und inzwischen habe ich realisiert, dass ich schon längst nicht mehr einfach damit aufhören kann, so wie ich es mir lange eingeredet habe.
Ich weiß jetzt, dass ich Bulimie habe und dass ich wahrscheinlich Hilfe brauche. Ich hätte sie auch irgendwie gerne. Denn die Bulimie bestimmt schon jeden Tag meines Lebens. Es strengt an, sie zu verheimlichen... Familie und Freunde anzulügen... die lieben Kollegen anzulügen, warum man schon wieder nicht mit zum Mittagessen kommt, bis sie schon beleidigt sind... am normalen sozialen Umfeld teilzunehmen... mit Freunden essen zu gehen und zu verheimlichen, dass man das Essen nicht drin behält usw.
Aber das nächste Problem vor dem ich stehe, ist, dass ich mich nicht traue professionelle Hilfe zu suchen. Eine Freundin aus meiner Clique, die ich noch nicht all zu lange kenne, hat auch Bulimie. Und das schon seit 10 Jahren. Sie war schon öfters in Kliniken und jetzt vor ein paar Wochen kam sie auch erst wieder aus einer zurück. Sie spricht ziemlich offen darüber, auch mit mir, was ziemlich seltsam ist, denn es ist, als würde sie von mir erzählen, aber das weiß sie natürlich nicht. Alle Freunde wissen über ihre Bulimie bescheid und versuchen auch ihr zu helfen wie und wo sie können (Das freut mich sehr für sie und ich hoffe, dass sie es entgültig da raus schafft!).
Aber genau das ist das Problem... Ich glaube, wenn die anderen erfahren würden, dass ich auch Bulimie habe, würden sie sich wahrscheinlich schlapp lachen!! Denn ich bin nicht annähernd so dünn wie das andere Mädchen. Ihr sieht man die Essstörung an, mir nicht im Geringsten! Ich schwanke immer zwischen leichtem Übergewicht und in "besseren" Zeiten an der Obergrenze des Normalgewichts. Wahrscheinlich würde das für alle anderen so lächerlich klingen, dass jemand wie ich, der so lächerlich dick ist, Bulimie haben soll, dass sie denken ich lüge oder übertreibe nur um mich vielleicht irgendwie wichtig zu machen oder so.
Dabei habe ich inzwischen einfach nur noch Angst um meine Zähne, dass sie bald nicht mehr so schön gesund und weiß sind. Angst, dass sich bald mal meine Speicheldrüsen entzünden und meine Backen dadurch anschwellen. Oder ich irgendwas an der Speiseröhre bekomme, schlimmstenfalls Krebs. Angst, dass es jemand herausfindet und mich auslacht, weil ich doch eigentlich dick bin.
Meine Mutter fragt mich komischerweise seit längerem nicht mehr danach. Entweder sie hat es vergessen/verdrängt. Oder sie hat mir meine Lügen geglaubt, wenn ich gesagt habe, ich mache es nicht mehr...