Hallo zusammen!
Habe ein bisschen geblaettert und hab mich doch schon wieder sehr gewundert. Schon in der Ueberschrift steht nur "Anorexie, Magersucht, Bulimie", aber auch die Threads ueber BED fand ich etwas seltsam. "5 Kilo durch Fressattacken zugenommen". Hmmm...
Ich moechte euch in ein paar Saetzen von mir erzaehlen. Mit 19 bekam ich BED, Binge Eating Disorder. Oder besser, mit 19 wurde es diagnostiziert. Mir fiel erst spaeter auf, dass ich tatsaechlich schon mein ganzes Leben lang mit Essen kompensiert habe. Es fing an als ich auszog von zu Hause, ploetzlich wog ich keine 70 Kilo mehr, sondern 80. Dann auf einmal 100. Verzweifelt ging ich zum Hausarzt, der mich an eine Diaetistin verwies. Diese erzaehlte mir allerdings immer wieder nur das uebliche. Schokolade und Chips DOOOOF :MAL: , VOllkornbrot HMMMM!!!!!! :BIEN:
Als ich dann 120 Kilo wog verwies mich der Hausarzt endlich zu einem Psychologen, 138 Kilo wog ich an meinem ersten Therapietag. Ich hatte in 10 Monaten ueber 50 Kilo zugenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat niemand erkannt was ich habe. Ich war (und bin es in Augen vieler Menschen noch immer) einfach jemand ohne Disziplin, dumm, haesslich, fett und faul, der mal aufhoeren sollte nur Pommes zu fressen und mal nen Apfel essen sollte. Dieses Klischee verfolgt mich bis heute.
Ich war am Boden zerstoert. Selbstachtung hatte ich keine. Ich versteckte mich. Ich wollte nicht mehr Leben und liess niemanden in meinem Leben zu. Die Therapie, die mir nur beilaeufig jemand erwaehnt hatte, hat mir das Leben gerettet.
Waehrend der Therapie war ich krankgeschrieben. Kam ich zu Aerzten mit der Diagnose Esstoerung erntete ich erst einmal seltsame Blicke. Esstoerung - dann ist man doch zu duenn???? Sogar Aerzten musste ich erklaeren was ich habe, nicht nur Laien. Und von beiden hagelte es kritische Blicke und gutgemeinte Tips. Mach mal Sport. Iss mehr Obst. Die Qual, den Hass, die Selbstzerstoerung, den Kampf - alles wird ignoriert zugunsten mehr Obst und ner Runde joggen. Juhu.
Auch ein paar Jahre spaeter habe ich es noch nicht geschafft, abzunehmen. Fressanfaelle habe ich keine mehr. Aber sobald ich anfange abzunehmen werde ich wieder depressiv. Ich kaempfe also immer noch. Gegen mich selbst, aber dafuer mit neuem Lebenswillen. Und mit dickem Fell. Denn Menschen auf der Strasse sind verletzend in ihren Blicken und Worten, die ich nicht mal wiederholen moechte und von denen ich nicht mal meinen Vertrautesten Freunden erzaehle.
Ich hoffe, dass BED auch irgendwann als echte Esstoerung wahrgenommen wird. Ich hatte waehrend meiner Therapiezeit viel Kontakt auch zu Maedchen mit anderen Esstoerungen. Wir sitzen alle im selben Boot und keine eine Esstoerung ist schlimmer oder besser als die andere. Sie machen alle systematisch kaputt und koennen alle zum Tod fuehren. Darum wuensche ich mir auch fuer BED Kranke mehr Respekt und mehr Aufklaerung ueber die Krankheit.
Allerdings wuerde es mich sehr besorgt stimmen, wenn auf einmal jedes Maedchen was sich aus Liebeskummer mal nen Becher Eis reingedrueckt hat als BED Krank bezeichnet werden. BED kann auch schnell als Vorbehalt verwendet werden. Es waere schade, wenn die Leute die wirklich grosse Probleme haben durch die Leute in den Hintergrund gerueckt werden, die tatsaechlich nur mal etwas mehr Obst und Bewegung braeuchten
Liebe Gruesse
S