Antwort
Liebes Milchschnittchen,
Es tut mir sehr leid, dass du mit ansehen musst, dass deine Mutter derzeit keinen besseren Weg findet, sich zu helfen, und dass du darunter leidest. Ich kann mir vorstellen, wie schwer dir das auf der Brust liegt und bin sicher, dass du nur das Beste für sie willst.
Wahrscheinlich ist deine Mutter in einem alltäglichen Trott gefangen, und der Alkohol hilft ihr, sich zu entspannen und das Leben auszuhalten. Wirklich glücklich klingt sie nicht - die Beschreibung ihres Lebens, die du hier gibst.
Es wäre töricht zu glauben, dass du mit 20 Jahren nicht viel vom Leben verstehst. Ich denke, dass du genau den richtigen Riecher hast, doch oft muss viel passieren, damit Menschen ihr gewohntes Leben ändern.
Zuerst möchte ich dir sagen, dass es nicht dramatisch, sprich, lebensgefährlich ist, wenn sie lediglich abends einen Wein trinkt. Doch deiner Schilderung nach scheint es doch mehr zu sein. In dem Fall ist es tatsächlich nicht gesund - schließlich werden beide Stoffe, die Psychopharmaka und der Alkohol, über die Leber abgebaut und bei einem dauerhaft zu hohen Konsum ist das in der Tat schädlich. Ein regelmäßiger Bluttest kann Aufschluss über die Leberwerte geben.
Ich finde, dass deine Mutter auch in schlechter ärztlicher Behandlung zu sein scheint - denn jeder vernünftige Arzt würde neben der Behandlung mit Antidepressiva auch eine Gesprächstherapie vorschlagen. In der Kombination sind schon allerhand seelischer Leiden gelindert worden.
In erster Linie will ich dir persönlich einen Rat geben: Kümmere dich um dich und achte darauf, dass dich diese Situation nicht auffrisst. Sprich mit Freunden darüber - echte Freunde können dir Halt geben und es erleichtert ungemein Unterstützung zu bekommen und sich den Kummer von der Seele zu reden. Sonst kommst du selbst womöglich noch an den Punkt, dass dich die Situation seelisch bricht - und das, wo du im Grunde nur Zuschauer bist. Bitte sorge gut für dich.
Gibt es jemanden, der deine Mutter ebenfalls kennt und ihr nahe steht und dem du dich anvertrauen kannst? Jemand, der ihr gemeinsam mit dir ins Gewissen reden kann, doch eine Therapie zu beginnen? Die ist ja letztlich ein großer Gewinn und halb so schlimm, wie sich die Vorstellung davon anhört. Im Gegenteil: Dabei könnte deine Mutter ihr Leben mit der Unterstützung des Therapeuten beleuchten und überlegen, was sie glücklich machen würde. Dabei käme sie sicher auf andere Einfälle, als sich abends mit Alkohol zu benebeln. Vielleicht ist die unglücklich mit ihrem Job, im Beziehungsleben, mit sich selbst - eine Therapie bietet die Möglichkeit sich neu zu entdecken und zu erfinden. Es wäre schön, wenn du sie dazu ermutigen könntest, bestenfalls mit weiteren Unterstützern.
Solltest du niemanden haben, könntest du bei einer Frauen- oder Familienberatungsstelle um Hilfe bitten.
Es geht bei einem unglücklichen Menschen nicht darum, dass er sich nicht "genug zusammen reißt", sondern darum, dass er sich selbst nicht zu helfen weiß und Unterstützung von außen braucht. Versuch deiner Mutter diese zu geben und versuche auch die nötige Distanz zu wahren - damit du nicht daran zerbrichst!
Ich wünsche dir und deiner Mutter alles Liebe!