Leben ohne Beine
Hallo Emelie,
ich hoffe es geht Dir schon ein wenig besser. bist Du noch im Krankenhaus oder schon in der Reha? Ja Du wirst wieder richtig leben und das Leben auch geniessen können, aber das braucht Zeit, viel Zeit. Ich bin auch beidseitig Oberschenkelamputiert und ich brauchte fast zwei Jahre um mich daran zu gewöhnen, nun nach fast sieben Jahren geht es mir sehr gut und ich fühle mich wieder sehr wohl in meiner Haut. Es braucht halt viel Zeit der Gewöhnung.
Durch einen schweren Autounfall wurden mir vor sieben Jahren beide Beine abgenommen.Das war wirklich brutal sich an einen auf ca. 90 cm verkürzten Körper, die Beinlosigkeit, das tragen von Beinprothesen und die Fortbewegung im Rollstuhl zu gewöhnen. Nie mehr einen Schritt ohne Hilfsmittel machen zu können. In den ersten Wochen in der Klinik war ich total verzweifelt ich dachte das Leben in seiner normalen Form sei vorbei, ich konnte mich als Vollkrüppelin einfach nicht akzetieren. Dann kam die Reha und die ersten Fortschritte. Als ich wieder das Bett verlassen durfte wurde mein neuer Rollstuhl ins Zimmer gerollt, als erstes ein schrecklicher Anblick, ich konnte mir nicht vorstellen das dieses Ding für mein weiteres Leben meine untere Hälfte sein sollte, aber von Tag zu Tag ging es besser, ich merkte das ich mit ihm fast überall hinkam, zwar anders und umständlicher als mit Beinen aber es ging erstaunlich gut. Nur der Kopf hatte sich noch nicht umgestellt, oft wollte ich, nachdem ich lange an Schreibtisch saß aufstehen und merkte dann, oh das geht ja nicht, ich habe ja keine Beine mehr, komisches
Gefühl. Mit den ersten Prothesen ging es nicht richtig gut, allerdings war das kein großes Problem da die primäre Fortbewegung einer Doppelbeinamputierten immer der Rollstuhl ist. Das Prothesengehen ist nur eine zusätzliche Option und geht auch nur eine kurze Zeit des Tages. Jetzt mit neuen Prothesen, die ich vor 4 Wochen bekam,geht es viel besser, aber trotzdem bin ich primär Rollstuhlfahrerin.
So nach zwei Jahren hatte ich mich an alles gewöhnt und von da an wurde alles besser. Der Kopf hatte sich umgestellt, es war nun normal für mich keine Beine mehr zu haben, ich versuchte nicht mehr nach langem Sitzen aufzustehen sondern griff automatisch an die Greifreifen meines Rollstuhls. Ich vermisste die Beine auch nicht mehr wenn ich sie nicht brauchte.Iin der Anfangszeit überlagerte die Beinlosigkeit alles, selbst wenn ich im Kino einen Film sah und in dem Moment nun wirklich keine Beine brauchte, vermisste ich sie dauerend. Ich stellte nach und nach fest das Frau wirklich keine Beine braucht und das es ein tolles und interessantes Leben auch ohne gibt.
Heute bin ich überzeugte Ohnbeinerin, finde es überhaupt nicht schlimm Schwerbehindert zu sein, bin glücklich mit meinem Körper wie er ist um möchte die Beine (so komisch es klingt) auch nicht mehr zurückhaben. Nachdem langen Weg der Gewöhnung und dem vollkommenem angekommen sein in meinem verstümmelten Körper würde das mich nur irritieren. Zumal die Situation auch gute Seiten hat, ich bin da ich arbeitsunfähig bin Frühpensionärin, aber da ich am Unfall schuldlos war, gut finanziell versorgt. Die Hilfsbereitschaft der Leute ist enorm, Rollstuhlfahren macht mir mittlerweile regelrecht Spass, ich freue mich wenn ich wieder eine Herausforderung ohne Beine gemeistert habe und ich genieße, ganz im Gegensatz zur ersten Zeit, das ich etwas besonderes bin. So sehr mich in der Gewöhnungszeit die Blicke der Leute gestört haben, so normal sind sie jetzt.
Klar, Frau muss sich das auch zurechtlegen aber es klappt gut, so wird Frau auch beinlos glücklich.
Mein Beruf hatte mir eh keinen Spaß mehr gemacht und ich hatte kaum Zeit zu Reisen und viele Dinge in Ruhe zu genießen.
Das ist jetzt alles anders, ich reise viel mit dem Flugzeug oder Auto, klappt alles völlig problemlos. Ich habe ein schönes Auto mit Handsteuerung das bringt mich überall hin, und
so schaue ich mir die Welt an. Klappt wirklich erstaunlich reibungslos und wenn ich mal mit dem Rollstuhl vor einem nicht überwindbarem Hindernis stehe, so what dann krieche ich halt auf Po und Händen hinauf, das geht auch.
Da ich mich immer perfekt style und schöne, feminine Kleidung trage bekomme ich, und das hätte ich nie erwartet, viele Komplimente von Männern, werde oft angeflirtet, manche sind regelrecht scharf auf mich, was bei einer, wenn auch viel jünger und gutaussehenden, Frau über 50 ja nicht unbedingt normal ist. Wobei ich glaube das ich da durch die fehlenden Beine sogar einen Vorteil habe, da ich etwas exotisches bin und ganz offen mit meiner Behinderung umgehe.
Frau im Rollstuhl ohne Beine kommt in einer Kneipe etc. viel schneller ins Gespräch als vorher.
Da ich meine Stümpfe ja oft auch zeige werde ich oft auf diese angesprochen. Meine sehen sehr gut aus, sind beide exakt gleich lang, haben keine größeren Narben, sondern sind fein vernäht und verheilt. Da eine abgeschnittene oder umgeschlagene Hose im Rollstuhl bei mir nicht gut aussieht, ich eh lieber Röcke trage, sitze ich ausschließlich im Rock im Rollstuhl, halb im Mini dann schauen die Stümpfe raus, halb in einem knielangem(eigentlich denn ich hab ja keine Knie) Rock, dann bedeckt der Rock die Stümpfe. Exakt passende 20 den Feinstrumpfhosen habe ich mir anfertigen lassen, das ging problemlos bei einer Strumpffabrik, ich musste nur 150 Stück abnehmen, aber ich brauche sie ja eh da ich sie täglich trage.
So jetzt habe ich Dir viel über meine Amputationen erzählt, glaub mir auch Du wirst dich daran gewöhnen und wieder Freude am leben bekommen. so kutz danach war ich genauso verzweifelt wie Du.
Wenn Du Fragen hast jederzeit gerne, ich kann dir sicherlich vieles beantworten, da ich nach sieben Jahren eine erfahrene Beinlose bin.
Liebe Grüße
Britta