Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg
Hey aufleisenpfoten,
ich finde es super, dass dein Wille zum Gesundwerden gegenüber dem einfacheren Weg, dem Rückfall, überwiegt.
Anscheinend hat dir die Klinik in gewisser Weise weitergeholfen. Aber wie du schon sagst - eine Wunderheilung gibt es natürlich nicht. Die Klinik ist dazu da, dich in deinem Heilungsprozess zu unterstützen und dir den richtigen Weg zu weisen, aber heilen kannst du sich am Ende nur selbst. Deshalb ist es so toll, das du gesund werden möchstest. Ich bin übrigens etwas überrascht über die Kürze deines Aufenthaltes - ich kenne das (über Freunde) so, dass die stationären Behandlungen teilweise auf ein halbes Jahr ausgedehnt werden. Das hängt natürlich auch davon ab, welche Fortschritte du als Patient machst, aber 4 Monate waren bei den meisten schon obligatorisch.
Ich finde es auch gut, dass du weiterhin eine ambulante Therapie machen möchtest.
Gibt es von deiner Klinik aus keine Nachsorge? Das finde ich etwas seltsam - normalerweise bieten psychiatrische Kliniken das an. Das entspricht dann im Prinzip einer ambulanten Therapie. Der Vorteil ist nur, dass dich die Leute dort schon kennen und schon ungefähr wissen, wo deine Probleme liegen. Ansonsten würde ich mir vom Hausarzt eine Liste mit Psychotherapeuten geben lassen und alle einfach mal abtelefonieren; aus eigener Erfahrung ist immer jemand dabei, der dich innerhalb der nächsten drei Wochen empfangen kann.
Wie gut hast du dich denn in der Klinik selbst kennengelernt? Ich finde, das wird oft in den Hintergrund gestellt. Denn am öftesten entstehen die Probleme genau da.
Ich habe irgendwann angefangen, ein Tagebuch über mein Leben zu schreiben, also wirklich ALLES aufgeschrieben, was ich in meinen 18 Jahren gefühlt und durchlebt habe, welche Störungen und Ängste ich wann hatte, in welcher Beziehung ich zu anderen Menschen stehe, was mir wann Sorgen gemacht hat etc.
Ich habe festgestellt, dass es mir danach VIEL besser ging, auch wenn es teilweise wirklich schwer war und sehr viel Überwindung kostete, alles aufzuschreiben. Ich habe mir in dieser Zeit sehr viele Gedanken über meine Probleme gemacht und mir selbst überlegt, woher die sie kommen. Ich habe zwei Jahre lang eine Therapie gemacht und habe dort nicht mal einen Bruchteil von dem über mich gelernt, was ich später in meiner eigenen Arbeit herausgefunden habe. Weil niemand so viel über einen weiß, wie man selbst. Deshalb ist man selbst die Person, die einem am meisten helfen kann - man muss nur den Mut dazu haben.
Ich würde mir übrigens nicht so viel Stress machen.
Du warst jetzt lange in einer Klinik, in der man auf dich aufgepasst hat und dir jegliche Verantwortung bzgl. des Essens abgenommen hat.
Es ist klar, dass es erstmal "schockierend" ist, wieder zuhause zu sein. Ich glaube, es gibt niemanden, der nach nur acht Wochen Klinik nach Hause kommt und bei dem dann alles vorbei ist.
Du hast aber schon mal einen Schritt hin zur Besserung getan und wenn du nun einen Rückfall hast, darfst du dich davon nicht entmutigen lassen. Dann sag' dir halt "okay, das ist jetzt blöd gelaufen, ich wollte das nicht, aber Rückschläge gehören zur Besserung dazu und ich werde versuchen, meine Probleme nächstes Mal anders in den Griff zu bekommen." Überlege dir, nachdem du dich wieder übergeben musstest, doch einmal ganz genau, warum du das getan hast, was du im Moment fühlst und was du, wenn dieses Gefühl nächstes Mal wieder kommt, vielleicht sonst noch tun könntest, um dich abzuregen.
Ich gehe gerne im Wald spazieren.
Versuche auch festzustellen, was du in der Klinik gelernt hast. Was war dort anders als zuhause? (Warum) ging es dir dort besser? Wie kannst du das auf zuhause übertragen?
Was mir irgendwann geholfen hat, war der Gedanke, dass es nicht ewig so weitergehen kann. Ich dachte "ich möchte später heiraten, Kinder bekommen, glücklich sein. Ich muss mich früher oder später in den Griff bekommen. Wenn ich's eh machen muss, kann ich's auch jetzt machen." Da hat's "klick" gemacht.
Wie ich anfangs erwähnte, ist der Rückfall natürlich der leichtere Weg (aber selbstverständlich auch der schlechtere!). Du bist in einem Verhaltensraster festgefahren, weil du einfach lange Zeit so gelebt hast. Wahrscheinlich hast du auch versucht, deine Probleme mit der Bulimie zu kompensieren. Deshalb erscheint dir dieser Weg "angenehmer", weil dein Körper gelernt hat, so Problemen aus dem Weg zu gehen. Versuche dir klar zu machen, dass es andere Mittel und Wege gibt, mit Problemen umzugehen. Es dauert vielleicht eine Weile, bis du die für dich richtige Methode entdeckt hast, aber du würdest sie bestimmt finden.
Es kostet unglaublich viel Überwindung, den anderen "schweren" Weg der Besserung zu gehen und vielleicht musst du zwischendurch ein Stückchen zurücklaufen, aber wenn du am Ziel angekommen bist, wirst du merken, dass dies der bessere Weg war. Setze dir immer wieder vor Augen, dass du etwas hast, wofür es sich zu kämpfen lohnt und wenn du das im Moment hast, dann setze dir als Ziel am Ende des Weges etwas, was du haben wirst, wenn du gesund bist; etwas, das du nur haben kannst, wenn du gesund wirst.
Ich hatte fast keine Freunde damals. Ich habe nichts gesehen, wofür ich kämpfen wollte. Deshalb fiel mir die Besserung unglaublich schwer. Aber ich habe mir gesagt: "hey, wenn ich so weitermache, finde ich auch keine Freunde. Wenn ich gesund werde, bin ich ausgeglichener und werde irgendwann die Möglichkeit haben, andere Leute kennenzulernen." Und dafür habe ich gekämpft und es hat lange gedauert, bis ich am Ziel war, aber ich bin angekommen. ;)
Ach ja, eines noch: wenn dein Wille in die richtige Richtung geht, wird dein Körper irgendwann folgen
("wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!").
Wie gesagt, mach dir keinen Druck, dadurch steigerst du dich nur noch mehr rein. Versuche, deine Anfälle so weit wie möglich in den Griff zu bekommen, und wenn du es mal nicht schaffst, mach dich deswegen nicht runter, sondern nutze die Gelegenheit und versuche, daraus etwas über dich zu lernen. Du wirst schon merken, dass es dir bald besser gehen wird. Ich glaube an dich! ;-)
Und versuche unbedingt, deine Therapie fortzusetzen, aber ohne einen hohen Teil von Eigenarbeit nützt auch der beste Therapeut nichts - da kann ich aus Erfahrung sprechen.
Liebe Grüße und alles Gute,
Loretta